Das Protein der kleinen gelben Bohne – Mehr als nur ein Underdog?

In der heutigen Zeit erfreut sich der Vegetarismus oder sogar Veganismus immer größerer Beliebtheit. Dieser Trend macht auch vor der sporttreibenden, leistungsorientierten Bevölkerung nicht Halt, so dass pflanzliche Produkte auch in den Regalen der Nahrungsergänzungsmittelhändler massiven Einzug gefeiert haben. Aufgrund der günstigen Produktionskosten werden viele pflanzliche Supplemente auf Basis des Sojaproteins hergestellt und sind relativ kostengünstig zu erwerben. Aber sind Sojaerzeugnisse wirklich nur für den Pflanzenliebhaber und können weiterhin getrost von den Tierproteinverfechtern belächelt werden?

 

 

Steckt vielleicht mehr als nur eine minderwertige Fleischalternative hinter der kleinen gelben Bohne?

 

1. Mit einer biologischen Wertigkeit von 85-86 ist das Aminosäureprofil der Sojabohne das vollwertigste pflanzliche Protein und kommt der Aminosäurenzusammensetzung des Vollei`s schon sehr nahe. Der „Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score“ (PDCAAS) wurde von der World Health Organisation (WHO) als das relevanteste Proteinbewertungsverfahren eingestuft, da hier  ein Protein nach dem tatsächlichen Aminosäurebedarf anhand der Verdaulichkeit im menschlichen Körper bewertet wird. Das Sojaprotein erreicht demnach sogar einen Score von 0.99 und kann somit als mindestens gleichwertiges Protein zu tierischen Proteinquellen angesehen werden (zum Vergleich: Ei = 1.00, Kuhmilch= 1.00, Rindfleisch= 0.92).

 

2. Bezüglich der Resorptionsgeschwindigkeit zeigen Studien eine eindeutig schnellere Aufnahme in Leber und Niere von Sojaprotein als dem Caseinprotein von Milch. Nur der rasanten Aufnahmegeschwindigkeit des Wheyproteins muss sich Soja geschlagen geben.

 

3. Neben dem übermäßig hohen Anteil von Glutamin und Arginin hat auch Soja eine faktisch belegte Achillesferse im Aminosäureprofil, die eine rein auf sojaproteinbasierte Ernährung ausdrücklich nicht empfehlen lässt. Die Rede ist vom geringen Methioningehalt. Methionin ist die entscheidende Quelle für organisch gebundenen Schwefel und hat lipothrophe Eigenschaften auf die Fetteinlagerung im Leber- und Nierengewebe. Dieses Manko lässt sich jedoch durch eine Ergänzung mit Paranüssen, getrockneten Steinpilzen oder einer Ergänzung durch Haferprotein ausgleichen. Je nach vegetarischer Ernährungsform sind ebenfalls Lachs, Eiklar bzw. Vollei, sowie Wheyprotein gute Methioninlieferanten.

 

4. Besonders empfehlenswert ist die Sojasupplementierung für alle, die Ambitionen in Richtung Gewichtsreduktion hegen. Das tägliche kalorische Defizit einer Diät führt zu einer reduzierten Aktivität der Schilddrüsenhormonproduktion. Dieser Effekt ist für das problematische „Gewichtsplateau“ nach einem anfänglich sukzessiven Gewichtsverlust verantwortlich. Die Aminosäurenkonstellation von Soja hat eine Schilddrüsenstimulierende Wirkung, wodurch die Gewichtsstagnation ausbleibt. Auch alle die sich wegen einer Blutanalyse mit dem Weg zum Arzt schwer tun sollten den Soja- Superstar etwas genauer betrachten. Eine Metastudie (1995) kam nach der Auswertung von 45 Studien zu dem Schluss, dass die Supplementation von Sojaprotein die Cholesterinwerte signifikant sinken lässt. Muskeln aufbauen und trotzdem das Risiko von Krebs und Herzattacken senken, lässt sich also wunderbar verbinden!

 

5. Viele Sportler tun sich mit der pflanzlichen Proteinbombe dennoch schwer. Diese instinktive Antipathie hat einen Namen – Phytoöstrogen. Das Märchen des Testosteronspiegel senkenden Bösewichts hält sich konsequent in den Fitnessstudios und wird von Fleischfanatikern über Wheyliebhabern an die wissensdurstigen Nutritionnovizen weitergegeben. Auch in der Wissenschaft herrscht rege Verwirrung und eine kontroverse Beleuchtung der Wirkung von Phytohormonen auf den menschlichen Organismus. Mehrere Studien belegen einen Einfluss der Pflanzenöstrogene Daidzein und Genistein auf eine Reduktion von menopausalen Beschwerden bei Frauen und einem verzögerten Pubertätseintritt von Mädchen. Aber wie ist tatsächlich die Wirkung auf die Reproduktionsorgane der Männer? Licht ins Dunkel bringt eine Metaanalyse von 2010 (Hamilton- Reeves, et. al.), die einen Fundus aus Studien statistisch ausgewertet hat und keine signifikante Veränderungen des Testosteronspiegels belegen konnte. Wer dennoch auf Nummer sicher gehen will, greift beim Einkauf einfach zu Sojaisolat. Im Gegensatz zum Sojakonzentrat wird dem Verbraucher des Isolats, durch die Entfernung des kohlenhydrat- und fetthaltigen Anteils der Sojabohne (inklusive der Phytohormone) ausschließlich das reine Protein angeboten.  

 

Übersicht Soja: Wer profitiert?

 

         1. Vegetarier bzw. Veganer

         2. Laktose- bzw. Hühnereiprotein-Intolerante

         3. Cholesterinspiegelproblemfälle

         4. Frauen mit menopausalen Beschwerden

         5. Alle, die Variation in ihrer Ernährung anstreben

    6. Der Geldbeutel 

 

 

Was ist zu beachten?

 

     Wegen des geringern Methionin- bzw. Cysteingehalts sollte Soja mit weiteren Proteinquellen ergänzt werden.

 

 

 

Literatur:

1. Arndt, K. (2004). Handbuch Proteine und Aminosäuren: Optimaler Einsatz von Protein und Aminos im Sport, in der Diät, bei Erkrankungen, zur Gesundheitsvorsorge.

 

2.  Jill M. Hamilton-Reeves, et. al. (2010). Clinical studies show no effects of soy protein or isoflavones on reproductive hormones in men: results of a meta-analysis. Fertility and Sterility.

 

3. Michaela C. Devries and Stuart M. Phillips (2015). Supplemental Protein in Support of Muscle Mass and Health: Advantage Whey. Journal of Science Food.

 

4. Anderson, J., Bryan, M.D., et. al (1995). Meta- Analysis of the Effects of Soy Protein intake on Serum Lipids. The New England Journal of Medicine.

 

5. Cameron, J.M., Paul A.D., et. al. (2015). Soy protein ingestion results in less prolonged p70S6 kinase phosphorylation compared to whey protein after resistance exercise in older men. Journal of the International Society of Sports Nutrition.

 

6. WHO (2007). Protein and Amino Acid Requirements in Human Intake. Report of a Joint WHO/FAO/UNU Expert Consultation.